Sidus Major

Der kleine Teladi aus dem X-Universum hat Gesellschaft bekommen - hier dreht sich jetzt auch alles um das, was die kreativen Köpfe unserer Community geschaffen haben.

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Farmer Fran
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Sidus Major

Post by Farmer Fran » Sun, 15. Aug 10, 23:12

Sidus Major

Part I.

Es war alles ganz einfach. Es ging alles ganz schnell.
Als sie in Polarstern ein Nordtor fanden, war der Jubel erst groß. Weit ab vom Schuss und zwischen nutzlosem Gestein verborgen wähnte man den großen Fang gemacht zu haben. Die Ergebnisse waren ernüchternd:

Hinter diesem Tor lag lediglich ein unweit entferntes Sonnensystem mit lediglich einem Planeten und einigen soweit als wertlos angenommenen Asteroidenfeldern. Dann kamen die Standardprozedere: Benennung des Sektors - ein meiner Meinung nach sehr unkreativer Name -, Entsenden einfacher Kolonialisten. Wir sollten Lager aufschlagen, die Kruste des Planeten untersuchen; für die Asteroidenfelder waren andere zuständig.

Ich hatte nicht erwartet, in den Außeneinsatz zu müssen. Niemand verpflichtet sich gern, doch ich sah keine andere Chance. Dass sie mich so kurz nach meiner Ausbildung bereits auf eine so weite Reise senden würden - unerahnbar. Man möchte meinen, dass erfahrenere Soldaten meine Stelle hätten einnehmen sollen.

Doch so verhielt es sich mit Sidus Major: Es war lediglich ein Routinevorgang. Hier schien es nichts von Wert zu geben, allenfalls ein wenig Prestige, eine weitere Nummer. Seht her - die Argonen besiedeln schon wieder einen Planeten. Der Weltraumfahrstuhl war schnell installiert, die Umgebung des Camps schnell durchforstet. Optimale Lebensbedingungen. Wenig Flora, träge Fauna. Ich schoss kein einziges Tier. Klein, dick, nur Pflanzen- oder Wurmfresser. Die Jäger und einige Laborratten stellten später fest, dass ihr Fleisch für uns verdaulich war. Warum, war nicht zu erahnen - vermutlich ein Bestandteil späterer Forschung. Vielleicht würde es Verschwörungstheorien geben. Ein Routinevorgang. Uninteressant.

Doch das allzu routinierte Streben lässt straucheln und wir drohten, uns alle beim Sturze den Hals zu brechen.

Gut zehn Mozuras waren ins Land gezogen, doch schon vier Jahre in meiner neuen Heimat vergangen. Lange Tage und Nächte, kurze Jahre - ich habe nie in meinem Leben zuvor so schlecht geschlafen. Und mein Magen brauchte schon die Hälfte meiner Dienstzeit, um sich an die neue Nahrung zu gewöhnen. (Zum Teufel mit den Laborratten, die ach so verdauliche Umwelt schien mir reines Gift. Doch das nur nebenbei.)

Ich stellte eine Reihe von Dingen fest:
  • Die Umwelt reagierte nicht sonderlich auf uns.
  • Wir reagierten nicht sonderlich auf die Umwelt.
  • Es wurde jedes Jahr wärmer.
  • Meine Dienstzeit näherte sich ihrem Ende.
Es war einer dieser Tage. Ich hasse Kaffee, wirklich. Ich hasse ihn. Ich trank ihn nie und dann - ungern. Doch ohne kam ich nicht mehr aus dem Bett und an die Arbeit. Und die war trübe. Lange Schichten, unmenschliche Arbeitszeiten - wenn ich nicht keine Arbeit als die Anwesenheitspflicht hatte, und das ist härtere Arbeit als körperliche, da Nichtstun den Geist zermürbt -, dann arbeitete ich körperlich. Weil jemand einen Keller überschwemmt hatte. Weil es Kisten zu schleppen gab. Weil jemand einen neuen Anstrich brauchte. Ich war kein Soldat, ich war Mädchen für alles. Mein Offizier steckte die Beschwerden weg, und ich sah es ein: Jemand musste hier sein, Protokoll. Und irgendetwas musste er mit mir tun. Es war besser als nichts.

Ich stand auf meinem Posten, meine Kleidung war seit einigen Tagen ungewaschen; ich stank, das Rasieren hatte ich mir längst abgewöhnt. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich täglich die Unterwäsche wechselte. Irgendwo auf, unter oder neben meinem Bett lag immer welche. Ich war ein Wrack, dieser Planet hatte mich zerstört; mein Vorgesetzter tolerierte es und ich glaube, er tat mir viel gleich. Endlich kam ein Befehl rein, ein seit langem wieder interessanter. Den Umständen entsprechend.

Ich sollte den Weltraumfahrstuhl bedienen. Ganz nach oben, warten. Ein Frachter, der seit Stunden Verspätung hatte, sei abzuholen. Die Bedienung war leicht, zu leicht, und ich durfte einen Blick in die Sterne werfen. Ich war dankbar, ein Stück. Mein Dienstzeit nicht mehr lang. Ich überlegte auf dem Weg nach oben, ob ich meinen Bart danach behalten sollte. Oben gab es einen Fernseher. Ich hasse Fernsehen, aber nun, ich hasse auch Kaffee, mangelnde Hygiene und diesen Planeten. Mein Hass wäre mir fast zum Verhängnis geworden.
Andererseits: Meine Liebe wurde es.
Mit µ und ¬

Farmer Fran
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Post by Farmer Fran » Mon, 16. Aug 10, 18:54

Part II.

Die Nachrichten waren schwer bekömmlich, mein Magen gereizt. Das wärmer werdende Wetter seit Jahren kein Zufall, kein gewohnter Prozess. Im Fernsehen kamen die Meldungen; zunehmende Sonnenstürme, große Aktivität. Der Funk werde bald zusammenbrechen.
Der Befehl war einfach und ich kompliziert.
"Komm runter. Wir haben die wichtigsten Männer zusammen, du wirst sie eskortieren. Der Transporter ist in vier Stunden da."
Ich hätte mich mit jedem angelegt, ich war in der Stimmung. Ich hätte wen totschlagen können, ich war darauf aus - ich wollte gemaßregelt werden, unehrenhaft entlassen, verflucht werden.
"Nichts da."
"Wa... jetzt fahren Sie hier runter, verdammt."
"Wohin wollen die Penner?"
Oh ja, ich fühlte mich stark. Ich war am längeren Hebel. Sie konnten den Fahrstuhl rufen, ich konnte ihn stoppen. Herr der Lage. Absoluter Schwachsinn, ich hätte von meiner Kanzel aus sonstwas predigen können. Ziemlich schwach.
"Mäßigen Sie Ihren Ton und befolgen Sie den Befehl."
"Warum?"
Der Fahrstuhl wurde gerufen. Er fuhr ein paar Meter runter. Ich stoppte ihn, fuhr wieder hoch. Wir konnten das ewig spielen, wirklich.
"Die verdammte Sonne geht hoch. Wenn du deinen Ars ch nicht sofort hier runterbewegst, gehen wir alle drauf. Sei froh, dass wir einem Penner wie dir überhaupt das Überleben schenken. Und jetzt runter mit dir oder ich nehme das zurück."
Mir blieb die Spucke weg. Ich hätte ihm sonstwas an den Kopf werfen wollen, aber meine Stimmung war dahin, eher wurde mir schlecht, nicht sicher, ob wegen Essen, Höhe oder Information.
Die Sonne.
Alles Routine.
Sie hatten ein paar Details nicht geprüft.
Wir sind an den Anfang einer Supernova gereist und haben vier Jahre im Dreck gesuhlt - um jetzt zu fliehen?
Kein Problem, nach Hause. Sie hatten die wichtigsten zusammen. Sie würden sich verpissen und die Fußsoldaten verglühen lassen. Was soll man auch tun? So schnell evakuiert man nicht mehrere hundert Mann.
"Wann geht sie hoch?"
Ich rechnete im Kopf, rechnete schwer. Ich kannte die Transportzeiten, die Geschwindigkeiten der Flieger, ich wusste das, ich konnte das rechnen, ich habe sie oft genug erwartet. Würde ich jetzt mit den anderen fliehen, würden wir überleben.
Würde ich den Transporter umkehren lassen, das Ausrüstungsdock in Polarstern rufen lassen, sie könnten mehr senden. Aber nicht, wenn er erst hierher und zurück zum Tor tuckerte. Dann wäre es zu spät.
Und dann stand ich da, hunderte Leben auf meinen Schultern. Ich konnte ein paar retten oder viele, sicher und ungewiss, mein Leben darunter.
Ich war Unterst, doch ich hatte den Schalter in der Hand. Führe ich erst runter, sie würden mich rauswerfen und Ende. Fertig. Du gehst in der Sonne auf. Oder kann ich ihnen trauen?
Und was tut ein Transporterpilot, wenn er statt der Elite nur einen ungewaschenen Fußsoldaten vorfindet? Würde ich um den Heimflug kämpfen müssen? Nichts als eine Pistole an meinem Halfter.
Ich stand da, verwirrt.
Transporter senden, um mehr Hilfe zu holen. (Ich sterbe vielleicht.)
Transporter mich abholen lassen. (Ich sterbe vielleicht.)
Transporter die Elite abholen lassen. (Ich sterbe vielleicht.)
Der Funk rasselte und rasselte, von unten schrie man mir zu. Sie wollten hoch, mehr Leute unten würden Wind von der Sache bekommen. Raus, bevor der Mob antanzt und auch gerettet sein will.
Ich hörte kaum hin, am längeren Schalter gefangen. Die Fernsehübertragung wurde schwach. Ich kontaktierte den Transporter.
"Ja bitte?"
Ich sah den Mann schweigend an. Ich wusste, er konnte mich sehen. Ich wusste nicht, was zu sagen.
"Sehe Sie. Was kann ich tun?"
Ob er wusste, was hier passiert?
Stimmen langten an meine Ohren, langten zu als würden sie Ohrfeigen geben. Etwas in mir bebte und ich wünschte von Wut und Hass sprechen zu können, doch es war pure Angst - um mich.
Und dann kamen da noch andere Gefühle.
Und dann wollte ich endlich sprechen.
Und dann verstarb die Leitung.

Meine halbe Stunde war abgelaufen. Ich hatte es vermasselt. Keine weiteren Transporter. Nur ein Schiff, das bald hier ankommen würde, und eine wachsende Menge an Menschen, die sich bald unten um den Fahrstuhl reißen würde. Ich war ihr Liftboy oder Opfertier.
Mit µ und ¬

Deepstar
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Post by Deepstar » Tue, 17. Aug 10, 09:13

Sehr interessanter Text mit viel herrlicher Ironie. Der Planet der zerstört, wird zerstört.

Ansonsten gewohnte Fran Kost :-)

Hat irgendwie zum Nachdenken angeregt :)


Nur einmal ist dir denke ich ein Fehler unterlaufen.
Gut zehn Mozuras waren ins Land gezogen, doch schon vier Jahre in meiner neuen Heimat vergangen.
Nicht nur, dass es eigentlich Mazuras heißt, gemäß des Textes müsste es aus einheitlichen Gründen nicht einfach "Monate" heißen?
Wer nicht vergessen kann, der wird vergessen.

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mcMuck
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Post by mcMuck » Tue, 17. Aug 10, 11:37

Deepstar wrote:Sehr interessanter Text mit viel herrlicher Ironie.
Hat irgendwie zum Nachdenken angeregt :)
Hmmm, Ironie?
:gruebel:
Sarkasmus? - Wenn ja, dann allerdings auf die angenehmste Weise rübergebracht. -
Fran wrote:Ob er wusste, was hier passiert?
Ich denke nicht, daß man so etwas wissen kann,
allenfalls kann man fühlen, es zu ahnen.

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murks

PS: thx 2 Beli.
Alles ist gut! (zumindest, wenn man der Evolutionstheorie glaubt)

& Ach ja!: Mal wieder Lust auf frisches Gemüse?

Farmer Fran
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Post by Farmer Fran » Wed, 18. Aug 10, 00:42

Mit dem "Hier" war weniger sein "Hier" als die allgemeine Situation gemeint: Ob der Frachterpilot weiß, dass er evakuieren soll, oder ob es ihm verheimlicht wurde(, damit er etwa nicht flieht).
Wobei deine Auslegung natürlich auch ihren Reiz hat. :D
Deepstar wrote:Nicht nur, dass es eigentlich Mazuras heißt, gemäß des Textes müsste es aus einheitlichen Gründen nicht einfach "Monate" heißen?
Oh stimmt - Verfehlung.
Ich habe Jahre und Mazuras verwandt, um einen Unterschied zu verdeutlichen. Jazuras nämlich sind festgelegte Zeiteinheiten, ein Jahr aber sollte schlicht den Umlauf um die Sonne bezeichnen.
Aber gut, da hätte ich einen Hinweis geben müssen.

Die Geschichte hat übrigens nur zwei Parts.
Ich dachte, ich erwähne das einmal. :D

Abgesehen vom offenen Ende hat es auch praktischen Belang: Heute Abend bin ich zu müde und morgen schon beginnt eine Kette von Ereignissen, die meinen Umzug einläutet. Keine Zeit, keine Zeit! Macht's also gut. :)

*auf die Uhr schau, Jackett enger zieh und davonhoppel
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Boro Pi
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Major Domus an den Flieger Horst

Post by Boro Pi » Wed, 18. Aug 10, 12:43

Friede,
Farmer Fran wrote:Die Geschichte hat übrigens nur zwei Parts.
Ich dachte, ich erwähne das einmal. :D
Der Hinweis ist sicher nicht verkehrt, denn selbst für die Kategorie 'Offenes Ende' ist dieses Ende sehr offen. Es gibt eigentlich kein wirkliches Handlungsdetail, das abgeschlossen - oder gar merklich begonnen hätte. Somit bleibt der Leser grübelnd zurück. Es liegt etwas seltsames in diesem Grübeln. Die Frage, was der Autor will, vermischt sich mit der vordergründig verwandten und doch artfremden und an sich sogar vorlauten Frage, will der Autor überhaupt etwas. Denn wenn die Handlung in sich selbst keine erkennbare Aussage hat, wäre eine solche in einer Allegorie zu suchen. aber auch dafür sehe ich spontan keinen Anknüpfungspunkt. Will sagen, man läuft mit seinen Gedanken etwas ins Leere, mit dem vagen Verdacht, dass es gar kein Ziel für die Gedankengänge gibt.
Am ehesten hat die gesamte Szenerie, der Handlungsverlauf und des selben abruptes Ende etwas (alb)traumhaftes...

Wie dem auch sei, 'Großes Sternzeichen' ist ein sehr seltsamer (sprich franesker) Name... :D

---
Dann kamen die Standardprozedere:
Ich bin mir nicht sicher, ob es von Prozedere einen Plural gibt.
Der Befehl war einfach und ich kompliziert.
Könnte dort 'nicht' gemeint gewesen sein?

Sir Boro Pi

Deepstar
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Re: Major Domus an den Flieger Horst

Post by Deepstar » Wed, 18. Aug 10, 14:23

Dann kamen die Standardprozedere:
Ich bin mir nicht sicher, ob es von Prozedere einen Plural gibt.
Gibt es, "die/der Prozedere" und "den Prozederen". Letzteres habe ich persönlich aber bis auf mein Wörterbuch auch noch nie gehört :D
Wer nicht vergessen kann, der wird vergessen.

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Schaf Hassildor
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Post by Schaf Hassildor » Thu, 19. Aug 10, 01:44

Ich fand den Text sehr interessant und ansprechend. Aber ich schließe mich Boro Pi´s Diagnose an: Der Wille des Autors so wie der Sinn der Geschichte werden nicht offenbar. Ich weiß nicht, ob das beabsichtigt war. Falls ja, ist es sehr gut gelungen.

Die Hauptfigur war, wenn man dir Kürze des Textes bedenkt, meiner Meinung nach gut vorgestellt und ihr Handeln war nachvollziehbar. In einem interessanten Kontrast standen der "profane" Anfang (das beschreiben der Landschaft, die Laborratten, sein Dahinvegetieren etc...) zum drastischen, bedeutungsschweren (und vor allem plötzlichem) Ende. Das hat beim Lesen, vor allem wenn man Part 1 und 2 direkt nacheinander liest, zumindest bei mir, zu einem "kalte-Dusche-an-warmem-Tag-Effekt" geführt, falls ungefähr klar ist, was ich damit meine.

Alles in einem: Hat mir gut gefallen, war kurz und bündig und das Ende hallt nach. :thumb_up:
:teladi:

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